Auf die Rollen, fertig, los!
Doch das konnte der ortsansässige Heimat- und Verschönerungsverein (HVV) nicht einfach geschehen lassen. In zähen Verhandlungen konnte schließlich das gesamte Gebäude gekauft werden. Es gibt jedoch ein Problem: das Grundstück wurde nicht gekauft!
Also was tun? In Gesprächen mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege konnte dargestellt werden, dass der Erhalt des älteren Innenteils des Gebäudes von immenser Bedeutung ist. Auf dieser Grundlage ist geplant die äußere Hülle zu entfernen und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Das Umsetzen des ursprünglichen Pastorenhauses auf ein benachbartes Grundstück soll mit Hilfe einer alten und heute seltenen Technik durchgeführt werden: Es wird auf Rollen gestellt und rollt davon!
Mit dieser Tranzlozierung bleibt der Denkmalcharakter des Gebäudes erhalten. Das benachbarte Grundstück kaufte der HVV von der Kirchengemeinde Martfeld und somit wird dieses Reformationsdenkmal nur gering vom ursprünglichen Ort entfernt werden.
Für die Verrollung des Gebäudes wird zunächst die Außenhülle abgetragen und das Innere restauriert. Da ein Fachwerkgebäude durch die Holzkonstruktion an sich steht, ermöglicht dies ein Anheben des gesamten Gebälks. Im nächsten Schritt werden unter die unteren horizontalen Balken des Hauses Rollen gelegt. So kann das Gebäude in der Gesamtheit an einen ca. 140 m entfernten Ort verrollt werden. Hier wird es dann vollständig nach alten Baumethoden restauriert. Es erwacht wieder zu neuem Leben!
Die finanzielle Grundlage für das Projekt schaffte der HVV hauptsächlich aus dem niedersächsischen Förderprogramm ZILE, aber auch durch Sponsoren und Eigenmittel des Vereins.
Dem Heimat- und Verschönerungs-Verein Martfeld e.V. ist wichtig, dass das Gebäude im ursprünglichen Zustand wieder hergestellt wird als Denkmal an die Reformation auf dem Lande. Das „Alte Pastorenhaus soll der Bevölkerung die damalige Lebensweise aufzeigen und an die besondere Geschichte des Gebäudes erinnern.
Arne Wolters
Das Verrollen
Nicht immer konnten Gebäude an ihrem ursprünglichen Standort stehen bleiben. Durch neue Nutzung des Hofraumes oder auch Umnutzung von Gebäuden war es dann notwendig, ein Gebäude auf einen anderen Platz zu bringen. Manchmal wurde auch ein Gebäude als Mitgift mitgebracht wenn die Frau zu ihrem Mann auf den Nachbarhof zog – die Entfernung durfte eben nicht zu weit sein. Für größere Entfernungen wurden Fachwerkgebbäude auch auseinandergenommen und auf dem Wagen transportiert.
Für das Verschieben auf kurzen Entfernungen musste nicht das ganze Gebäude auseinandergenommen werden. Es musste nur stabil sein, das heißt, alles was kaputt war musste repariert werden und natürlich musste es eine intakte Schwelle haben. Dann wurde das Gebäude mit Diagonalverstrebungen ausgesteift. Mit hölzernen Bauschrauben wurde es angehoben und unter der Schwelle dicke Rundhölzer positioniert. Als Rollbahn wurden Balken in der vorgesehenen Richtung verlegt. Nun konnte mittels eines hölzernen Windenbocks das Haus bewegt werden.
Es folgen drei Beispiele des traditionellen Verrollens von Gebäuden, die durch Fotos dokumentiert sind.
Bernd Kunze
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Der Zimmermeister Johann Hopmann in Wechold wirbt 1909 mit einer Anzeige zum "Verschieben von Fachwerkgebäuden von einem Platz zum andern". |
Verrollung eines Schafstalls in Stapelshorn im Jahr 1957
Die folgenden Fotos der Verrollung eines Schafstalls sind uns aus Wechold von der Zimmerei Hopmann überliefert. Die Fotos befinden sich im Besitz des Heimatvereins Wechold. Die hölzernen Bauschrauben und der Windenbock sind ebenfalls im Heimatmuseum Wechold.
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Mit hölzernen Bauschrauben wird das komplette Gebäude hochgedreht … |
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… und auf Rundhölzer gestellt, die auf einer ausgerichteten Balkenbahn rollen. |
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Das rollende Gebäude wird mit Hilfe des Windenbocks an dem die Zugseile befestigt sind in die vorgegebene Richtung gezogen. |
Verrollung eines Backhauses in Halbetzen bei Syke
in den 1970er Jahren
in den 1970er Jahren
Fotos: Heinz Riepshoff
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Das Backhaus das direkt neben der Straße stand, sollte in den hinteren Bereich des Grundstücks verschoben werden. |
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Das unebene Gelände musste aufwändig ausgeglichen werden. |
Verrollung eines Backhauses/Speichers in Kleinenborstel 1997
Das Backhaus, das einmal ein Speicher war, sollte nicht mehr so nah am Haupthaus stehen. Was lag da näher als die alte Technik des Verrollens anzuwenden. Ca. 40 m in eine Richtung und dann ca. 15 m im rechten Winkel in die andere Richtung. Fotos: Heinz Riephoff.
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Das Backhaus ist repariert – mit neuen Ständerfüßen und einer neuen Schwelle – und steht auf Rollen die auf Balken laufen. |
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Diagonale Streben sichern die Konstruktion gegen Verschieben. |
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Die Rundhölzer müssen immer wieder nachgelegt werden. |
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Mit einem Greifzug wird das Backhaus bewegt – der Trecker bildet das Gegengewicht. Die ganze Aktion lockte viele Zuschauer an. |
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Das komplette Backhaus war über das Ziel hinausgrollt und konnte mit Muskelkraft zurückgeschoben werden. (Titelseite des „Holznagel regional“ 1997) |
Zur Translozierung und zum Transport von Gebäuden hat Dr. Haio Zimmermann einen interessanten Artigel verfasst, hier zum Download als PDF:
Zimmermann, W. H. 2007: Die mobile Immobilie. Zum traditionellen Wandern von Holzbauten in Europa und Nord-Amerika im 1. und 2. Jahrtausend n. Chr.
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